Ex-Embassy



Übersetzung der Textserie für das Projekt Ex-Embassy (2018) aus dem Englischen von Manuela Koelke.

Die Ausstellung und Textserie EX-EMBASSY entpackt ein dauerhaftes Archiv kultureller und diplomatischer Hinterlassenschaften, die sich aus, entlang und über die ‚produktiven Beziehungen‘ zwischen der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) und dem ‚fünften Kontinent‘ hinweg ergeben. Entsprechend der Definition der Geografin Doreen Massey von Raum als „Gleichzeitigkeit bisheriger Geschichten“ adressiert EX-EMBASSY die ehemalige australische Botschaft in der DDR als einen Ort, der von Prozessen geprägt ist, die weit über den physischen Zusammenhang hinausgehend vergegenwärtigt: ein Rahmen für die Untersuchung mehrerer Entwicklungen, die sowohl den Kalten Krieg als auch entstehende neoliberale ideologische Spannungen durchlaufen. Die in Auftrag gegebenen Kunstwerke und Texte befassen sich mit der Verhandlung und Infragestellung von nicht zu vereinbarenden Ordnungssystemen von Land und Eigentum, Territorium und Diplomatie, wobei die Rolle der Ästhetik bei einer Neuausrichtung der politischen Vorstellungskraft herausgearbeitet wird.

In Auftrag gegebene Kunstwerke und Texte sondieren und hinterfragen ein offenes Forschungsarchiv, das von der Initiatorin und Veranstalterin des Projektes, Sonja Hornung (AU/DE), vorläufig zusammengestellt und gemeinsam genutzt wird. Künstler*innen: Megan Cope (Quandamooka), Archie Moore (Kamilaroi), Sumugan Sivanesan (AU/DE), Carl Gerber (DE) & Simone van Dijken (NL), Sonya Schönberger (DE) und Khadija von Zinnenburg Carroll (AU/AT). Autor*innen: Ben Gook (AU/DE), Sarah Keenan (AU/UK), Peter Monteath (AU), Rachel O’Reilly (AU/DE), Raelee Lancaster (Wiradjuri) und Nathan Sentance (Wiradjuri). Kuratorische Beraterin: Rachel O’Reilly (AU/DE).

“Ex-Embassy – Der Rahmen”
von Sonja Hornung (Organisatorin und Künstlerin)

“Die Privatisierung Ostdeutschlands: Wiedervereinigung und Immobilienpolitik”
von Ben Gook (AU/DE)

“Raum und subversives Eigentum: Über das Aufrechterhalten von Beziehungen der (Nicht-)Zugehörigkeit”
von Sarah Keenan (AU/UK)

“Ngurang-dhi – vom Ort”
von Raelee Lancaster (Wiradjuri) & Nathan Sentance (Wiradjuri)

“Australien und die DDR: Wahlverwandschaften”
von Peter Monteath (AU)

“Über nicht anpassbare Materialismen*”
von Rachel O’Reilly (AU/DE)

Die von der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) errichtete Botschaft für Australien wurde von einer Gruppe unter der Leitung des Architekten des Ostberliner Café Moskau, Horst Bauer, entworfen. Als materieller und symbolischer Ort repräsentiert der Bau der Botschaft im Nordosten Berlins einen besonderen Moment der geopolitischen und ästhetischen Neuordnung. 1972 war in Australien im Zuge fortschrittlicher und radikaler sozialer Bewegungen, einschließlich des von den Aborigines geführten Kampfes für Landrechte, der Premierminister der ‚Labor Party‘, Gough Whitlam an die Macht gekommen. Australien war einer der ersten westlichen Staaten, der das kommunistische China anerkannte und aber gleichzeitig die Militärhilfe für Suhartos antikommunistische Diktatur in Indonesien vervierfachte. Unmittelbar nach dem Grundlagenvertrag von 1972, der die Anerkennung zwischen Ost- und Westdeutschland erleichterte, gehörten die diplomatischen Beziehungen zwischen der sozialistischen DDR und der Siedlerkolonie Australien zu den ersten, die von der DDR mit einem westlichen kapitalistischen Staat ausgehandelt wurden.

Um die große Anzahl neuer diplomatischer Vertretungen, die in den 1970er Jahren für die DDR eröffnet wurden, unterzubringen, wurden eine kleine Anzahl von vorgefertigten, standardmäßigen Modellen sozialistisch-modernistischen Designs den rund 140 neuen Botschaften zugewiesen. Australien erhielt das größte Modell Ostberlins, den IHB-III (Ingenieur-Hochbau-III). Sein architektonischer ‚Zwilling‘, die irakische Botschaft, befindet sich in unmittelbarer Nähe und ist seit 1990 verlassen. Die langen, tief angelegten dreigeschossigen Gebäude sind beide aus Betonplatten mit individuellen keramischen Ziegelfarbtönen und Mosaikelementen von Hedwig Bollhagen, einem großzügigen Garten und, speziell im Falle Australiens, einem Tennisplatz gebaut. Wie anderen kapitalistische Nationalstaaten wurde Australien ein 99-jähriger Mietvertrag gewährt und für die Nutzung von der DDR berechnet.

Vor der Anerkennung hatte Australien bereits 1951 über die australische Militärmission in der Nähe des Olympiastadions von 1936 in West-Berlin Kontakt mit Vertretern der DDR gesucht, während die DDR in Sydney eine kleine, private Ladenfront besetzte, die ironischerweise als ‚KfA Pty Ltd‘ (Kammer für Auslandshandel Pty Ltd) bezeichnet wurde. Zu den Handelszielen Australiens gehörte es, vom Export von Kohle, Wolle und Weizen zu profitieren. Die Länder hatten ein gemeinsames Interesse daran, das Wissen über die Gewinnung von Braunkohle zu vergleichen. Die DDR strebte den Export von Massengütern wie Linsen und Glaswaren der renommierten Firma Carl Zeiss an.

Neben dem Handelspragmatismus lassen sich auch andere Wünsche und Gegenprojekte durch den gebauten Rahmen der Botschaft verfolgen, die den Fokus auf komplexere materielle Aspekte der diplomatischen Organisation legen. Faith Bandler und Ray Peckham reisten 1951 unter Überwachung des kurz zuvor gegründeten Australischen Geheimdienstes (Australian Security Intelligence Organisation/ASIO) in die DDR, traten im Rahmen der Weltjugendfestspiele für Frieden (World Youth Festival for Peace) auf und hielten eine Rede vor Fabrikarbeitern über die Gleichberechtigung der Aborigines und Bürgerrechte. Der britische Anthropologe, Landrechtsvertreter und Mitglied der Kommunistischen Partei Fred Rose berichtete über Botschaftsveranstaltungen für die Stasi, während Mitglieder der Aborigine-Rockband No Fixed Address von den Ostberlinern mehrfach überschwänglich als Beweis für die Grausamkeiten des kolonialen Kapitalismus empfangen wurden.

In der Zwischenzeit wurden die propagierten Verbindungen zwischen den Widerstandsbewegungen der Aborigines und den wahrgenommenen ‚kommunistischen Bedrohungen‘ von den nachfolgenden australischen Regierungen instrumentalisiert, um Projekte für materielle Gerechtigkeit zu verunglimpfen.

Schließlich trug der Handel Australiens mit der DDR wenig Früchte. Infolgedessen beendete die australische Botschaft ihren Mietvertrag auf dem öffentlichen Gelände lange vor dem Fall der Mauer im Jahr 1986 vorzeitig. Der Monolith des zurückgelassenen Gebäudes zeugt von der tatsächlichen Verwundbarkeit von Infrastrukturen, die scheinbar stabile Staaten, Regierungsideale und private Interessen repräsentieren. Das im Nachlass der Treuhandabwicklung, die den Verkauf der ostdeutschen Staatsbestände zu unverschämt niedrigen Preisen überwachte, auf den Markt gebrachte Gebäude, wechselte in der Folge mehrmals den Besitzer und entging 2014 knapp dem Abriss. Auch wenn es heute unter Denkmalschutz steht, befindet es sich in einem verunkrauteten Zustand der Baufälligkeit; eine schon länger verschobene Sanierung zu einem luxuriösen Apartmentkomplex bleibt nicht genehmigt. Künstlerateliers besetzen derzeit die nicht-mehr-staatliche Infrastruktur am schwankenden Rande der Immobilienblüte Berlins.

EX-EMBASSY wurde im Rahmen des Berliner Project Space Festivals 2018 von dem Projektraum x-embassy als Teil von Atelierhaus Australische Botschaft Ost veranstaltet. Dieses Projekt wurde von der australischen Regierung durch das Förder- und Beratungsgremium des Australia Council for the Arts und von dem Verein Helle Panke e.V. — Rosa-Luxemburg-Stiftung-Berlin unterstützt. Medienpartner: Berlin Art Link.

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